Kinder- und Jugendbeteiligung
Rechtliche Grundlagen
Beteiligungsrechte für Kinder und Jugendliche sind in unterschiedlichen Gesetzen und internationalen Übereinkommen mit unterschiedlicher Reichweite und Verbindlichkeit festgehalten. Beteiligung von Kindern und Jugendliche geschieht daher nicht aufgrund des „guten Willens“ der Erwachsenen, sondern ist ein international wie national verankertes Grundrecht.
Eine kurze, nicht abschließende Übersicht bestehender Regelungen:
UN-Kinderrechtskonvention von 1989
Artikel 12: Berücksichtigung des Kindeswillens
“(1) Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.”
EU-Grundrechtecharta
Artikel 24: Rechte des Kindes
„(1) Kinder haben Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr Wohlergehen notwendig sind. Sie können ihre Meinung frei äußern. Ihre Meinung wird in den Angelegenheiten, die sie betreffen, in einer ihrem Alter und ihrem Reifegrad entsprechenden Weise berücksichtigt.
(2) Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.“
Deutsches Grundgesetz
Artikel 5, welcherdie Meinungsfreiheit jeden Bürgers festgelegt. Zu jedem Bürger gehört selbstverständlich auch jedes Kind und jede*r Jugendliche.
„(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“
Sozialgesetzbuch (SGB) – Achtes Buch (VIII) – Kinder- und Jugendhilfe
§ 8 Beteiligung von Kindern und Jugendlichen:
„(1) Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen. Sie sind in geeigneter Weise auf ihre Rechte im Verwaltungsverfahren sowie im Verfahren vor dem Familiengericht und dem Verwaltungsgericht hinzuweisen.
(2) Kinder und Jugendliche haben das Recht, sich in allen Angelegenheiten der Erziehung und Entwicklung an das Jugendamt zu wenden.
(3) Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf Beratung ohne Kenntnis des Personensorgeberechtigten, solange durch die Mitteilung an den Personensorgeberechtigten der Beratungszweck vereitelt würde. § 36 des Ersten Buches bleibt unberührt. Die Beratung kann auch durch einen Träger der freien Jugendhilfe erbracht werden; § 36a Absatz 2 Satz 1 bis 3 gilt entsprechend.
(4) Beteiligung und Beratung von Kindern und Jugendlichen nach diesem Buch erfolgen in einer für sie verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form.“
Darüber hinaus gibt es hier weitere Regelungen, die auf die Beteiligung von jungen Menschen abzielen:
§ 11 Jugendarbeit
„(1) Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen […]“.
§ 12 Förderung der Jugendverbände
„(2) In Jugendverbänden und Jugendgruppen wird Jugendarbeit von jungen Menschen selbst organisiert, gemeinschaftlich gestalten und mitverantwortet. Ihre Arbeit ist auf Dauer angelegt und in der Regel auf die eigenen Mitglieder ausgerichtet, sie kann sich aber auch an junge Menschen wenden, die nicht Mitglieder sind. Durch Jugendverbände und ihre Zusammenschlüsse werden Anliegen und Interessen junger Menschen zum Ausdruck gebracht und vertreten“.
§ 80 Jugendhilfeplanung
„(1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben im Rahmen ihrer Planungsverantwortung […]
2. den Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Erziehungsberechtigten für einen mittelfristigen Zeitraum zu ermitteln […].“
Hessische Verfassung
Artikel 4
„(2) Jedes Kind hat das Recht auf Schutz sowie auf Förderung seiner Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, ist das Wohl des Kindes ein wesentlich zu berücksichtigender Gesichtspunkt. Der Wille des Kindes ist bei allen Angelegenheiten, die es betreffen, entsprechend seinem Alter und seiner Reife im Einklang mit den geltenden Verfahrensvorschriften angemessen zu Berücksichtigen. Die verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten der Eltern bleiben unberührt.
Hessisches Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch (HKJGB)
§ 2 HKJGB – Beteiligung von jungen Menschen und Familien
„Junge Menschen und ihre Familien sollen an der Jugendhilfeplanung und anderen sie betreffenden örtlichen und überörtlichen Planungen in angemessener Weise beteiligt werden.“
Hessische Gemeindeordnung (HGO)
(wortgleich in der Hessischen Landkreisordnung)
§ 4c Beteiligung von Kindern und Jugendlichen
„(1) Die Gemeinde soll bei Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, diese in angemessener Weise beteiligen.
(2) Hierzu soll die Gemeinde über die in diesem Gesetz vorgesehene Beteiligung der Einwohner hinaus geeignete Verfahren entwickeln und durchführen.“
Das ist die „Generalklausel“ für Kinder- und Jugendbeteiligung in den kommunalen Gebietskörperschaften Hessens. Die „Soll-Vorschrift“ bedeutet, dass eine Kommune nur in begründeten Ausnahmefällen davon absehen kann, Kinder und Jugendliche zu beteiligen, Beteiligung ist der Regelfall.
§ 8c Beteiligung von Kindern, Jugendlichen Beiräten, Kommissionen und Sachverständigen
„(1) Kindern und Jugendlichen können in ihrer Funktion als Vertreter von Kinder- und Jugendinitiativen in den Organen der Gemeinde und ihren Ausschüssen sowie den Ortsbeiräten Anhörungs-, Vorschlags- und Redemöglichkeiten eingeräumt werden.
(3) Die zuständigen Organe der Gemeinde können hierzu entsprechende Regelungen festlegen.“
Baugesetzbuch (BauGB)
§1 Aufgabe, Begriff und Grundsätze der Bauleitung
„(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen: […]
2. die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3. die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung, […].“
§ 3 Beteiligung der Öffentlichekit
„(1) Die Öffentlichkeit ist möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung, sich wesentlich unterscheidende Lösungen, die für die Neugestaltung oder Entwicklung eines Gebiets in Betracht kommen, und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu unterrichten; ihr ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu geben. Auch Kinder und Jugendliche sind Teil der Öffentlichkeit im Sinne des Satzes 1. […]“.