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JUGENDBETEILIGUNG AUF LANDESEBENE

    Konzeptpapier

    Hintergrund und Entstehungsprozess
    Das vorliegende Konzeptpapier basiert auf einem intensiven fachlichen Austausch von Vertreter*innen verschiedener Akteure der Jugendbeteiligung und von Jugendorganisationen im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Jugend bewegt Politik –Fachgespräche zur Jugendbeteiligung auf Landesebene“ im Zeitraum Juli 2020 bis Februar2021.
    Das gemeinsam entwickelte Konzept, das strukturelle Rahmenbedingungen sowie konkrete Beteiligungsformate beinhaltet, stellt damit einen breiten fachlichen Konsens dar, in demeine Vielzahl an Perspektiven eingebunden und berücksichtigt wurde, und versteht sich als fundierte Handlungsempfehlung für die Weiterentwicklung der Jugendbeteiligung in Hessen.
    Der fachliche Austausch fand im Rahmen von drei digitalen Fachgesprächen statt. DieseFachgespräche sind eine jugendpolitische Initiative des Hessischen Jugendrings mit dem Ziel, ein konsensfähiges und umsetzbares Konzept für Jugendbeteiligung auf Landesebene zu entwickeln. Maßgeblich hierfür war über die unterschiedlichen Akteure dieVielfalt bestehender Strukturen sowie möglichst vielePerspektiven einzubinden und zu berücksichtigen.
    Die beteiligten Akteure waren:

    • Hessischer Jugendring (hjr)
    • Hessischer Städtetag / Hessischer Landkreistag(noch in interner Abstimmung)
    • AK Jugendarbeit, Jugendbildung, Jugendsozialarbeitund Jugendschutz im Hessischen Städtetag und Hessischen Landkreistag
    • LAG Kinder-und Jugendbeteiligung
    • Hessische Union zur Stärkung der Kinder-und Jugendinteressen (HUSKJ)
    • Landesschüler*innenvertretung (LSV Hessen)
    • Stadt-bzw. Kreisjugendringe
    • Frankfurter Behindertenarbeitsgemeinschaft (FBAG)
    • Institut für Medienpädagogik und Kommunikation Hessen e.V. (MuK)

    Bei den Fachgesprächen waren des Weiteren eine Referentin des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration sowie die jugendpolitischenSprecher*innen der LandtagsfraktionenCDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und FDP als Gäste anwesend.Am zweiten Gespräch nahm auch die kurz zuvor neu ernannte Landesbeauftragte für Kinder-und Jugendrechte teil.
    Im Rahmen des erstenFachgesprächsam 2. Juli 2020 fand im Anschluss an einen Impulsvortrag von Prof. Dr. Ivo Züchner ein erster fachlicher Austausch statt,und die Beteiligteneinigten sich darauf, ein gemeinsames Konzept zu entwickeln.Es wurde eine AG gegründet, die mit der inhaltlichen Vorbereitung des zweiten Fachgesprächs beauftragt wurde. Im zweiten Fachgespräch am 26. Oktober 2020 erhielten alle beteiligten Akteure die Möglichkeit, in einem moderierten Austausch ihre fachliche Perspektive sowie die Position des jeweiligen Akteurs bezüglich der Jugendbeteiligung auf Landesebene einzubringen. Darauf aufbauend wurdenkonkrete Kriterien und Ideen zur Umsetzung diskutiert und dokumentiert. Die AG wurde damit beauftragt, im Anschluss an das Fachgespräch dasvorliegende Konzeptpapier redaktionell zu erarbeiten. Die Mitglieder dieser AG waren: Paul Harder (LSV), Lena Lange (HUSKJ), Friederike Könitz (LAG), Roland Sautner (AK) und Kati Sesterhenn (hjr).
    Am 23. Februar 2021 wurde das vorliegende Konzeptpapier in einer abschließenden Diskussion der beteiligten Akteure konsolidiert.
    Der gemeinsame Prozess der Konzeptentwicklung legt auch den Grundstein für eine weitere intensive Zusammenarbeit. Durch diese Zusammenarbeit ist darüber hinaus die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die zu initiierenden Formate der Jugendbeteiligung viele verschiedene junge Menschen erreichen können: Je mehr Organisationen oder Strukturen das Konzept und die in ihm enthaltenden Format unterstützen, dafür werben und dafür eintreten, desto höher ist die Zahl möglicher Zugänge für die potentielle Zielgruppe junger Menschen.
    Grundannahmen: Ziele und Voraussetzungen vonJugendbeteiligung
    Warum müssen Kinder und Jugendliche beteiligt werden?
    Wirksame Jugendbeteiligung bedeutet, jungen Menschen Verantwortung zu übertragen und sie selbst als Mitglieder unserer Gesellschaft sowie ihre Interessen, Anliegenund Bedürfnisse ernst zu nehmen. Jugendbeteiligung ist ein wesentlicher Bestandteil der politischen Bildungsarbeit, stärkt die demokratische Haltung und gesellschaftliche Teilhabe junger Menschen und fördert damiteine lebendige Demokratie der Zukunft.
    Vor allem aber sorgt Jugendbeteiligung für eine jugendgerechte Ausgestaltung der aktuellen Politik und unserer Gesellschaft:Durch vielfältige und wirksame Beteiligungsstrukturen finden jugendliche Interessen eine stärkere Berücksichtigung in politischen Entscheidungsprozessen.Dies betrifft einerseits Politikfelder, deren direkte Zielgruppe junge Menschen sind (z.B. Schulpolitik). Aber auch andere Politikbereiche haben heute oder in Zukunft weitreichende Auswirkungen auf das Leben heutiger Kinder und Jugendlicher (z.B. Umweltpolitik und Sozialpolitik)und sollten daher von ihnenmitgestaltet werden.
    Junge Menschen haben daher gesetzlich verbriefte Beteiligungsrechte, die es umzusetzen gilt. Im Kontext des §8 SGB VIIIwird beispielsweise die altersgerechte Beteiligung junger Menschen an allen sie betreffenden Fragen der öffentlichen Jugendhilfe vorgeschrieben.Darüber hinaus gelten die, in der UN-Kinderrechtskonvention aufgelisteten Rechte auf Beteiligungvollumfänglich im Rang eines Bundesgesetzes. Die Aufnahme der Kinderrechte in die Hessische Landesverfassungim Jahr2018 hatdie grundlegende Bedeutung dieser Rechte für das Land Hessennoch einmal unterstrichen. Auch in der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) ist bereits ein Rechtjunger Menschenauf Beteiligung in Hinblickauf kommunalpolitische Entscheidungsprozesse begründet.
    Wie kann Jugendbeteiligung auf Landesebene gelingen?
    Jugendbeteiligung kann nur gelingen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfülltsind und die Rahmenbedingungen stimmen. An dieser Stelle sollen die wichtigsten dieser Bedingungen im Kontext der Situation in Hessen kurz benannt werden.
    Gute Jugendbeteiligung findet auf Augenhöhestatt. Sie nimmt junge Menschen ernst und versteht sich als Selbstverständlichkeit, nicht als Geschenk der Erwachsenen. Wirksam wird Jugendbeteiligungdeshalb erst, wenn Politik einen realen Handlungs-und Gestaltungsspielraum bietetund Macht tatsächlichabgegeben wird. Das bedeutet ein tiefgreifendes Umdenken. Wirksame
    Jugendbeteiligung ist des Weiteren konsequent und verlässlich, d.h. sie wird in nachhaltigen Strukturen umgesetzt und mit entsprechenden Ressourcenausgestattet. Alles andere wäre im Sinneder oben genannten Ziele kontraproduktiv. Konkret bedeutet das auch: Die Beteiligungsmechanismen werden nicht nur angewandt, sondern auch in Form geänderter Satzungen und Geschäftsordnungen politischer Institutionen rechtlich verankert.
    Wirksame Jugendbeteiligung braucht als Grundlage eine Partizipationskultur. Partizipation muss in Kindheit und Jugend erlernt underfahren werden, bedeutsamsind hier reale Partizipationsmomenteunddie positive Erfahrung der Selbstwirksamkeit. So baut politische Jugendbeteiligungdarauf auf, dass bereits in Kita, Schule, Familie und Jugendarbeit Partizipationserfahrungen gemacht werden. Eine gelingende Jugendbeteiligung auf Landesebene wiederum ist bedingt durch gute Zugänge zur Teilhabe und Beteiligung imsozialräumlichen Kontext. Der kommunalen Jugendbeteiligung kommt hier eine ebenso große Bedeutung zu wie der Partizipationjunger Menschenin Vereinenund Initiativen, Jugendzentren oderJugendverbänden.
    Jugendbeteiligung und politische Bildunggehen dabei Hand in Hand. Darauf verweist auch der 16. Kinder-und Jugendbericht. Beides kann nicht losgelöst voneinander gedacht werden. Es braucht –in Schule, aber auch außerhalb –mehr werteorientierte Angebote der politischen Bildung, in denen sich Jugendliche ausgehend von ihrer Lebenswelt die komplexen Zusammenhänge unserer Gesellschaft, Wirtschaft und Politik erschließen können. Gleichzeitig braucht es Beteiligungsangebote, um diese Gesellschaft aktiv mitzugestalten.Denn politische Bildung beschränkt sich nicht auf Wissensvermittlung, sondern fordert junge Menschen zur demokratischen Teilhabe auf.
    Jugendbeteiligung hat den Anspruch, für alle jungen Menschen offenzu sein und möglichst viele verschiedene Jugendliche zu erreichen. Es gibt nicht die eine Jugend.Kinder undJugendliche teilen zwar viele gemeinsame jugendspezifische Interessen, aber dennoch sind sie divers –in jeglicher Hinsicht(Alter, Milieu, Bildungsstatus, geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung, Behinderungen und Beeinträchtigungen, Freizeitinteressen, Weltanschauung etc.). DieserDiversitätder Jugendlichen und ihrer Themen bzw. Anliegen wird Jugendbeteiligung gerecht, in dem sie viele verschiedene Beteiligungsformatebereithält(„Partizipations-Mix“). Ein einzelnes Beteiligungsangebot kann undmuss nicht alle jungen Menschen gleich gut ansprechen und für alle gleich attraktiv sein. Wichtig ist, dass jungen Menschen verschiedene Angebote offenstehen, die in ihrer diversen Ausgestaltung insgesamt so viele verschiedene Jugendliche wie möglich „abholen“.
    Eine wirksame Jugendbeteiligung auf Landesebene baut auf einer kontinuierlichen Zusammenarbeit aller relevanten Akteure im Bereich der Jugendbeteiligungauf. Diese Zusammenarbeit wiederum erfordert eine kontinuierliche Koordination. Und sie istdie Voraussetzungfür den Erfolg von landesweiten Beteiligungsformaten. Denn diese müssen über möglichst viele verschiedene Kanäle kommuniziert werden, um von Jugendlichen in ihrer Alltagswelt wahrgenommen zu werden. Es braucht hier ein konstruktives Zusammenwirken von vielen Akteuren –von der offenen und verbandlichen Jugendarbeit über die Schulen bis hin zu institutionalisierten kommunalen Beteiligungsstrukturen.
    Jugendbeteiligung muss stetig reflektiert, evaluiert und fachlich weiterentwickelt werden. Gesellschaftliche Megatrends wie die Digitalisierung spiegeln sichin dieser Weiterentwicklung ebenso wider wie neue pädagogische Prämissendurch gesellschaftliche Krisen, z.B. die Corona-Pandemie, und allgemeine gesellschaftliche oder erziehungswissenschaftliche Diskurse.
    Die Empfehlungen im Überblick
    Die Jugendbeteiligung auf Landesebene sollte verschiedene Partizipationsmöglichkeiten–einen sogenannten„Partizipations-Mix“–bereithalten, die durch eine Fachstelle koordiniert und begleitet werden und in ihrer Diversität möglichst viele verschiedene junge Menschen ansprechen und damit eine breite Beteiligung ermöglichen. Ergänzt werden sollten sie um weitere Maßnahmen, um die Beteiligung junger Menschen auch auf kommunaler Ebene noch stärker zu fördern und die Jugendgerechtigkeit in Hessen voranzubringen.
    Folgende Kernelemente, die im Folgenden näher ausgeführt werden, umfasst das Konzept:
    . Jugendrat Hessen als institutionalisiertes Format der Jugendbeteiligung

    . Landesjugendkongress als regelmäßiges, offenes Format des Dialogs zwischen Jugend und Landespolitik

    . Jugendportal Hessen als Beteiligungsplattform (Jugendbefragungen)und als Informationsportal für Jugendbeteiligungsstrukturen in Hessen

    . Landesweite Fachstelle Jugendbeteiligungzur Koordination, Vernetzung, fachlichen Weiterentwicklung und pädagogischen Begleitung der Jugendbeteiligung sowie zur Beratung und Qualifizierung von Kommunen und freien Trägern

    . Weitere Maßnahmen für mehr Jugendgerechtigkeitund Jugendbeteiligungin Hessen: Absenkung des Wahlalters, Einführung eines Jugendchecks auf Landesebene, Änderung der HGO

    Im Folgenden werden die genannten Punkte –zusammengefasst unter drei Kapiteln –näher vorgestellt. Am Anfang steht aufgrund ihrer grundlegenden Bedeutung für das Gesamtkonzept die „Koordination der Jugendbeteiligung auf Landesebene“, gefolgt von „Konkreten Formaten und Instrumenten der Jugendbeteiligung“ und „Weiteren Empfehlungen für ein jugendgerechtes Hessen“.
    Koordinationder Jugendbeteiligung auf Landesebenedurch eine landesweite Fachstelle
    Im Folgenden werden die übergeordnete Strukturen und Rahmenbedingungen vorgestellt, die für das Gesamtkonzept von herausragender Bedeutung sind.Im Zentrum steht hier eine neu zu schaffende landesweite Fachstelle, die vielfältige Aufgaben im Bereich der Jugendbeteiligung wahrnimmt.
    Landesweite Fachstelle Jugendbeteiligung
    Zieleder Schaffung einer Fachstelle Jugendbeteiligung sinddie kontinuierliche fachliche Begleitung und Weiterentwicklung sämtlicher Beteiligungsformate, die Koordination der einzelnen Beteiligungsformate undder jeweils beteiligten Akteure sowiedie Vernetzung sämtlicher Akteure der Jugendbeteiligung in Hessen. Ein weiteres Ziel ist die Qualifizierung und Beratung von freien und öffentlichen Trägern zugunsteneiner inklusiven und verbesserten Jugendbeteiligung auch auf der kommunalen Ebene sowie in den Bereichen Kinder-und Jugendarbeit undSchule.
    Ihre zentralen Funktionen sind:
    . Fachliche Begleitung und organisatorische Umsetzung/Unterstützung zentraler Formate und Strukturen der Jugendbeteiligung auf Landesebene, vor allem:

    o Geschäftsführung und pädagogische Begleitungdes Jugendrats Hessen,

    o Organisation des Landesjugendkongresses

    o Inhaltliche Pflege des Jugendportals Hessen und der Jugendbeteiligungs-App

    o Sicherstellung der Barrierefreiheit in allen Formaten und Umsetzung einer inklusiven und diversitätsbewussten Jugendbeteiligung

    . Anlaufstelle für kommunale und freie Träger: Beratung bezüglich Jugendbeteiligung

    . Koordination der fachlichen Weiterentwicklung sowie derZusammenarbeit aller beteiligten Akteure auf Landesebene

    . Vernetzung der Träger der Jugendbeteiligung

    Für die Umsetzung empfiehlt die Fachgruppe die Gründungeines Trägerverbundesaus Trägern der Jugendhilfe und der Behindertenarbeit, der als gemeinschaftlicher Träger der Fachstelle fungiert. Die Fachstelle muss unabhängig von politischen Institutionenagieren können. Die Fachstelle benötigt eine umfassende, verlässliche und dauerhafte (d.h. projektunabhängige) Förderungdurch das Land in Form einer Geschäftsstelle und Personal im Umfang von drei Vollzeitstellen (zwei Referentinnenund eine Verwaltungskraft). Fachgremium zur Steuerung der Fachstelle Die fachliche und strategische Steuerungder Fachstelle übernimmt ein Fachgremium, das gleichzeitig die Rückanbindung von durch die Fachstelle organisierten Formate und Projekte an die beteiligten Akteure übernimmt. Dieses Fachgremium setzt sich zusammen aus zwei bis drei Wissenschaftlerinnen, zwei Jugendlichen aus dem Jugendrat Hessen (siehe unten), der Landesbeauftragten für Kinder-und Jugendrechte und jeweils ein bis zwei Vertreterinnen aus Hessischem Jugendring, dem AK Jugendarbeit/Jugendbildung, der LAG KiJuBeund der Behindertenarbeit.In regelmäßigen Sitzungen werden grundlegende strategische Fragen erörtert und fachliche Prämissen der Arbeit der Fachstelle herausgearbeitet. Jugendbeteiligung auf der Höhe der Zeit Es muss eine stetige fachliche Weiterentwicklung der Beteiligungsformate und ihres Zusammenwirkens sichergestellt sein, das Fachgremium der landesweiten Fachstelle spielt hierbei eine zentrale Rolle. Die Digitalisierung ist als gesellschaftlicher Megatrend omnipräsent und erfährt eine stetige Entwicklung. Alle Beteiligungsformate sollten daher regelmäßige auf geeignete digitale Modulegeprüft werden. Auch eine Offenheit gegenüber neuen jugendkulturellen Entwicklungenist bedeutsam. Die umzusetzenden Jugendbeteiligungsformate sollten immer wieder aktuelle Entwicklungen reflektieren (Jugendbewegungenwie Fridays for Future, neue Organisationsformen, gesellschaftliche Krisen wie Coronaetc.). Konkrete Formate und Instrumente der Jugendbeteiligung auf Landesebene In diesem Anschnitt werden konkrete Beteiligungsformate des Partizipations-Mixes vorgestellt.Sie sind als sich gegenseitig ergänzende Module zu verstehen, stehen auch miteinander in Verbindung und sind teilweise miteinander verzahnt. Die einzelnen Elemente stellen sehr verschiedene Formen der Beteiligung dar, besonders auch aus Perspektive der zuerreichenden Jugendlichen. Während ein Engagement im Jugendrat Hessen sicher nicht für jeden infrage kommt, sind ein paar Klicks auf einem gut beworbenen Jugendportal wiederum sehr niedrigschwellig. Der landesweite Jugendkongress stellt die Brücke her: Er ist grundsätzlich offen für alle jungen Menschen und bietet eine zeitlich begrenzte, aber intensive und ggf. auch sehr wirkungsvolle Beteiligungfür junge Menschen, die sich für Politik interessieren und gern mit Landespolitikerinnen in Dialog treten möchten. Jugendrat Hessen als institutionalisiertes Beteiligungsformat Als institutionalisiertes, dauerhaftes Beteiligungsformat wird ein Jugendrat Hessen (JuHe) konstituiert. Er setzt sich aus ca. 30 bis 40 Jugendlichen zusammen, welche die junge Generation in Hessen möglichst gut repräsentieren. Der Jugendrat Hessen tagt regelmäßig und berät selbst gesetzte Themen, zu denen er Positionen formulieren und in die Landespolitikeinbringen kann. Über die Initiierung von Jugendbefragungen (über das JugendportalHessen bzw. eine Beteiligungs-App) kann der Jugendrat seine Positionen auch mit Umfrageergebnissen abgleichen und untermauern. Er ist ansprechbar für Politikerinnen und bezieht Stellung in Anhörungen
    Das Zieldes Jugendrats ist einekontinuierliche Beteiligung junger Menschen an allen sie betreffenden politischen Entscheidungen auf Landesebene. Zu den Aufgaben und Rechten des Jugendrates gehörenu.a.:
    . die Bearbeitung von selbst gewähltenThemen,

    . die Veröffentlichung von Positionspapieren und Forderungen,

    . die Initiierung von Jugendbefragungen über das „Jugendportal Hessen“

    . Stellungnahmen und Anhörungen inGesetzgebungsprozessen,

    . Stellungnahmen zu Jugendcheck-Ergebnissen,

    . die Beantwortung von Anfragen der Landespolitik (z.B. Anfragen aus dem Parlament zu jugendpolitischen Themen),

    . ein Sitz im LJHA,

    . zwei Sitze im Fachgremium der Fachstelle,

    . inhaltliche Planung und organisatorische Mitgestaltung des Jugendkongresses,

    . Weiterarbeit an Themen und Impulsen aus dem Jugendkongress.

    Dem Jugendrat Hessen ist für die Erfüllung seiner Aufgaben und Rechte ein angemessenes Budget bereitzustellen, das er eigenverantwortlich verwaltet, um z.B. Expertinneneinzuladen. Der Jugendrat hat –ausgestattet mit diesen Beteiligungsrechten –ein relativ großes Gewichtunterden Beteiligungsformaten. SeineZusammensetzung sollte daher so repräsentativ wie möglich sein. Gleichsam muss festgehalten werden, dass ein Engagement im Jugendrat keine niedrigschwellige Beteiligung ist. Ein Sitz im Jugendrat erfordert eine hohe Einsatzbereitschaft und kontinuierliche Mitarbeit. Geeignet ist dieses Engagement im besonderen Maße für Jugendliche, die bereits Beteiligungserfahrungen haben und sich stärker auch auf Landesebene beteiligen möchten. Die Mitglieder des Jugendrats Hessen werden für jeweils zwei Jahre benanntbzw. entsendetund dürfen zum Zeitpunkt der Aufnahme ihrer Tätigkeit im Jugendratmax. 21 Jahre alt sein, wobei Ausnahmen im Fall von beeinträchtigten jungen Menschenmöglich sind(eine Altersbeschränkung nach unten ist nicht nötig, dies sollte sich selbst regulieren). Des Weiteren gibt es eine Stellvertreterinnen-Struktur.
    Die zu vergebenen Plätze im Jugendrat werden aufgeteilt zwischen verschiedenen Organisationen und Strukturen, die ihrerseits Mitglieder wählen bzw. benennen (z.B. jeweils fünf Personen):
    . Offene Kinder-und Jugendarbeit

    . Kommunale Jugendbeteiligung & HUSKJ

    . Jugendverbände & Jugendringe

    . LSV bzw. Schüler*innen-Vertretungen

    . weitere offene Jugendorganisationen oder -initiativen(z.B. Fridays for Future)

    Darüber hinaus gibt es jeweils zwei reservierte Plätze für Angehörige von Selbstorganisationen, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzen:

    • LGBTIQ-Jugendliche,
    • Jugendliche mit Migrationsgeschichte,
    • junge Geflüchtete,
    • Jugendliche mit Beeinträchtigung

    Alle Organisationen bzw. Strukturen, die Mitglieder in den Jugendrat entsenden, müssen bei der Auswahl die gleichen Kriterien beachten, um eine möglichst große Vielfalt junger Menschen in Hessen einzubinden. Hierzu zählen:
    . Geschlechterparität,

    . breites Altersspektrum,

    . Jugendliche aus Stadt und Land,

    . Jugendliche aus unterschiedlichen Regionen in Hessen,

    . Jugendliche mit möglichst verschiedenem Bildungshintergrund,

    . Grundsätzlich sind Kriterien der Diversität anzuwenden

    Die Mitglieder des Jugendrats verstehensich vor als Vertreterinnen der Kinder und Jugendlichen insgesamt, nicht als Repräsentantinnen einer bestimmten Klientel. Das heißt, der Jugendrat hat keine Fraktionen wie z.B. ein Parlament, es steht ihm aber frei AGs zu gründen, die sich mit bestimmten Themen und Fragestellungen intensiver beschäftigen und Diskussionsvorlagen etc. erarbeiten.
    Jugendrat Hessen hat eine Satzung, die seine Mitbestimmungsrechte definiert, und eine Geschäftsordnung. Die Politik ihrerseits verpflichtet sich mit der Schaffung des Jugendrats dazu, die Position des Jugendrats ernst zu nehmen. Um ihm verlässliche Beteiligungsrechte einzuräumen, wird sowie eine Anpassung der Satzung des Landesjugendhilfeausschusses empfohlen. Des Weiteren sollte eine Änderung der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags geprüft
    Die Geschäftsführung des Jugendrates Hessen liegt bei der Fachstelle. Diese Fachstelle begleitet den Jugendrat pädagogisch und unterstützt ihn, z.B. bei der Organisation der Sitzungen oder der Durchführung von Jugendbefragungen.
    Jugendkongress als offenes Dialogformat mit Eventcharakter
    Alle zwei Jahre findet ein zwei-bis dreitägiger Landesjugendkongress statt –ähnlich dem HOP! JUGENDKONGRESS 2019, aberlänger, intensiverohne festgelegte Agenda. Sein Ziel ist ein offener Dialog von Jugendlichen mit Politikerinnen auf Augenhöhe. Der Jugendkongress versteht sich als offenes und kurzfristiges Beteiligungsformat mit Eventcharakter, d.h. mit jugendgerechtem und attraktivem Setting, das viele verschiedene Jugendliche anspricht. Den jungen Teilnehmenden wird ein gemeinschaftlicher Meinungsfindungsprozessmit vielen anderen Jugendlichen ermöglicht, Politikerinnen wiederum werden im direkten Austausch mit ihnen für jugendrelevante Themen bzw. die Jugendrelevanz vieler Themenfelder sensibilisiert. Sie erfahren die Interessen und Bedürfnisse junger Menschen direkt von ihnen, erleben einen authentischen Dialog mit jungen Menschen.
    Konkret gliedert sich der Jugendkongress in mehrere Phasen, denn es handelt sich auch um einen Gruppenprozess. Nach einem Kennenlernen und Themenfinden werden einzelne Themen parallel in Workshops aufbereitet und gemeinsam diskutiert. Es findet ein Erfahrungsaustausch und Meinungsfindungsprozess statt. Am Ende können klare politische Forderungen stehen, die im Dialog mit PolitikerInnen erörtert werden. Partizipation wird auf dem Jugendkongress großgeschrieben, d.h. der Jugendkongress wird inhaltlich und organisatorisch von Jugendlichen mitgestaltet. Der Jugendrat ist bereits in die organisatorische Planungeingebunden, steuert das Agenda-Setting und erarbeitet Vorschläge ein Rahmenprogramm. Aber während seiner Durchführungbleibt Jugendkongress offen für weitere spontan eingebrachte Themen. Teilnehmende Jugendliche sind angehalten, sich aktivan der Umsetzung der Veranstaltungzu beteiligen, z.B. als Moderatorinnen oder Workshop-Leiterinnen. Zum organisatorischen Rahmen: Der Jugendkongress findet regelmäßig statt (alle zwei Jahre) und dauert zwei oder drei Tage. Veranstaltungsort ist der Hessische Landtag in Wiesbaden, ggf. in Kooperation mit einem größeren und flexibler nutzbaren Veranstaltungsort. Teilnehmen können bis zu 150 Jugendliche und junge Erwachsene bis max. 27 Jahre, die sich anmelden bzw. bewerben. Je nach Nachfrage und Kapazität gilt es ggf. ein Auswahlverfahren zu etablieren. Die Teilnehmenden übernachten während des Jugendkongresses in Mehrbettzimmern einer geeigneten Unterkunft(z.B. Jugendherberge). Neben den Diskussionsrunden, Workshops und dem Dialog mit Politikerinnen gibt es ein ansprechendes Rahmenprogramm. Dabei ist zu beachten, dass der Tagungsort, die Unterkunft sowie die Umsetzung des Jugendkongresses barrierefrei sind. Hierbei geht es nicht nur um die Zugänglichkeit für Rollstuhlfahrer*innen, sondern auch der Zugang für Menschen mit Sinnesbehinderungen und Menschen mit kognitiven Einschränkungen.
    Nach einemJahr findet eine ein-bis zweitägige Follow-up-Veranstaltungstatt, die das Ziel hat, transparent zu machen, was in der Zwischenzeit mit den Ergebnissen und Forderungen des Jugendkongresses passiert ist. Auch hier hat der Jugendrat eine zentrale Rolle, doch natürlich sind auch die übrigen Teilnehmenden eingeladen, sich zu erkundigen und ein Update einzuholen –ggf. auch nochmal Druck zu machen.
    Die Hauptverantwortung für die Organisation beider Veranstaltungen liegt bei der Fachstelle Jugendbeteiligung, doch sie arbeitet dabei eng mit dem Jugendrat und einem Organisationsteam aus kommunalen und verbandlichen Trägernzusammen. Das Organisationsteam berät die Fachstelle vor allem hinsichtlich der Ansprache der Zielgruppe und unterstützt die Werbemaßnahmen durch eigene Kanäle und Verteiler.
    Digitale Beteiligungsplattform „Jugendportal Hessen“/ Jugendbeteiligungs-App
    Ein Großteil der jugendlichen Lebenswelt findet heutzutage online statt bzw. über digitale Medien. Freunde treffen, Erfahrungen teilen, Spielespielen, Lernen, Medienkonsum –für all das nutzen Jugendliche fast ausschließlich das Internet, in der Regel über ihr Smartphone. Um möglichst viele Jugendliche niedrigschwellig mit Beteiligungsformaten zu erreichen, sind digitale Formate unablässig.
    Eine Beteiligungsplattform „Jugendportal Hessen“ könnte hier zum Dreh-und Angelpunkt für Jugendbeteiligung in Hessen werden. Eine solche Plattform hätte verschiedene Funktionen:
    . Information über landesweite Beteiligungsformate: Jugendrat, Jugendkongress, Jugendbefragungen

    . Durchführung von Online-Jugendbefragungen(siehe unten)

    . Auswertung und Publikation von Umfrageergebnissen

    . Berichterstattung über den Jugendkongress

    . Berichterstattung über Aktivitäten, Positionen und Forderungen des Jugendrats Hessen

    . Überblick über Beteiligungsformate und -strukturen in Hessen

    . Vorstellung von Beteiligungstools für Träger der Jugendarbeit

    . Information über die Fachstelle Jugendbeteiligung

    Als Ergänzung zur Website empfiehlt sich eine Jugendbeteiligungs-App, die den gleichen Funktionsumfang hat und per Push-Nachrichten auf neue Umfragen oder wichtige News zur Jugendbeteiligung in Hessen hinweisen kann.
    Bei der Realisierung des Web-Projektes und der App sollten Jugendliche und Medienpädagog*innen eingebunden sein. Des Weiteren ist auch hier die Barrierefreiheit zu wahren. Die inhaltliche Pflege der Website und der App liegt in der Verantwortung der Fachstelle Jugendbeteiligung. Eine dauerhafte Zusammenarbeit zwischen der FachstelleJugendbeteiligung, dem MuK, der HLZ, Digitale Welten, Jugend hacktund ggf. weiteren kompetenten Akteuren wird empfohlen.Die Öffentlichkeitsarbeit rund um das Jugendportal wird von den Mitgliedern des Fachgremiums der Fachstelle unterstützt.
    Jugendbefragungen über Jugendportal Hessenund über Jugendbeteiligungs-App
    Die Online-Jugendbefragungen über das Jugendportal und die Jugendbeteiligungs-App erlauben es, schnelle Meinungsumfrage zu aktuellen Themen durchführen zu können. Sie wirken sehr viel stärker in die Breite als die beiden Formate Jugendrat Hessen und Jugendkongress.
    Die digitalenJugendbefragungen liefern alsStimmungsbarometerwichtige Anhaltspunkte für aktuelle Vorhaben der Landespolitik und können auch vom Jugendrat Hessen angestoßen werden, um politische Standpunkte durch eine breite Umfrage um Jugendlichen in Hessen noch stärker zukonsolidieren oder als „Blitzlicht“ ein Stimmungsbild der Jugendlichen in Hessen zu bestimmten Themen einzuholen. Auch die zentralen Themen des Jugendkongresses könnten über Umfragen mitbestimmt werden.
    Die Umsetzung der Jugendbefragungen und die Auswertung der Ergebnisse liegt im Aufgabenbereich der Fachstelle Jugendbeteiligung. Ergebnisse von durch den Jugendrat initiierten Jugendbefragungen müssen von diesem aufgegriffen und bei der weiteren Bearbeitung von den jeweiligen Themen berücksichtigt werden.
    Weitere Empfehlungen für ein jugendgerechtes Hessen
    Das Konzeptpapier hat das Ziel, Jugendbeteiligung in Hessen voranzubringen. Eng damit verknüpft ist das Ziel einer jugendgerechteren Gesellschaft. In den Fachgesprächen und der Ausarbeitung des Konzeptpapiers wurde deutlich, dass die folgenden Empfehlungen sehr stark mit dem Anspruch einer verbesserten Jugendbeteiligung zusammenhängen und daher Erwähnung finden sollten.
    Absenkung des Wahlalters
    Die in den Fachgesprächen vertretenen fachlichen Akteure und Jugendorganisationen empfehlen mehrheitlich eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Das würde –neben einer stärkeren Identifikation junger Menschen mit der Demokratie und vielen anderen positiven Effekten –vor allem einestärkere Berücksichtigung jugendlicher Interessen in der Landespolitikbewirken.
    Änderung der Hessischen Gemeindeordnung (HGO)
    Eine Änderung des § 4c HGO –Beteiligung von Kindern und Jugendlichen1von einer Soll-Bestimmung in eine Muss-Bestimmung wird ebenfalls mehrheitlich von den Beteiligten befürwortet. Denn damit würde Jugendbeteiligung in jedem Fall zur kommunalen Pflichtaufgabe, ihr würde ein höherer Stellenwert eingeräumt. Es wird zwar vielfach argumentiert, dass die bestehende Regelung bereits ausreichend wäre, wenn sie denn im vollen Umfang von allen Kommunen umgesetzt würde. Doch die Erfahrungen in anderen Bundesländern wie z.B. Baden-Württemberg zeigen eindrucksvoll, dass eine entsprechende Änderung der Gemeindeordnung einen starken Effekt auf die Beteiligungspraxisder Kommunen haben kann.
    1„Die Gemeinde soll bei Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, diese in angemessener Weise beteiligen. Hierzu soll die Gemeinde über die in diesem Gesetz vorgesehene Beteiligung derEinwohner hinaus geeignete Verfahren entwickeln und durchführen.“
    Weiterhin könnte eine entsprechende Änderung positiv aufdieProzesse derJugendbeteiligung aufLandesebenewirken, denn wie zu Beginn ausgeführt, ist eine gelingende Beteiligung von Kindern und Jugendlichen im sozialräumlichen Umfeld eine wichtige Grundlage für die Beteiligung auf höheren Ebenen. Somit würde das Netzwerk der Jugendbeteiligung in Hessen nachhaltig verdichtet.
    Jugendcheck
    Im Sinne einer jugendgerechteren Politik wird die Implementierung eines Jugendchecks im Gesetzgebungsprozess empfohlen. Der Jugendcheck wird als Instrument für mehr Jugendgerechtigkeitseit Jahren auf Bundesebene erprobt und hat sich bewährt. Ein Kompetenzzentrum prüft Gesetzentwürfe auf deren Auswirkungen auf junge Menschen zwischen 12 und 27 Jahren und nimmt dabei alle Lebensbereiche (wie z.B. Umwelt, Bildung, Arbeit, Gesundheit, Soziales etc.) in den Blick. Die Ergebnisse werden in Jugendchecks zusammengefasst und publiziert. Sie sollen für die vielfältig betroffenen Belange junger Menschen sensibilisieren und können auch vom Jugendrat sowievon Verbänden oder Jugendorganisationen in ihrer Politikberatung aufgegriffen werden.
    Resümee: Vielfalt, Fachlichkeit und Vernetzung bringen die Jugendbeteiligung voran
    Das vorliegende Konzept für Jugendbeteiligung auf der Landesebene gewinnt seine Stärke aus dem koordinierten Zusammenwirken seiner einzelnen Instrumente und Maßnahmen. Natürlich sind alle einzelnen Beteiligungsformate für sich genommen sinnvoll und gewinnbringend für die Beteiligung junger Menschen. Doch erst im Zusammenspiel mit den jeweils anderen Formaten und durch eine kontinuierliche fachliche Begleitung sowie durch Vernetzungund konstruktive Zusammenarbeit der beteiligten Akteure und Formate entsteht ein kohärentes Gesamtkonzept. Seine Umsetzung kann dieJugendbeteiligung in Hessen einen wirklich großen Schritt voranbringen.

    Wiesbaden, 23. Februar 2021